Das schwache Geschlecht
„Schwachheit, dein Name ist Weib“ beschreibt Shakespeare die Rolle der Frau in Hamlet. Über 400 Jahre später sollte die Phrase „Das schwache Geschlecht“ nicht mehr die Frau betiteln. Genauere Betrachtung zeigt jedoch die immer noch fortwährende Schwachstellung des weiblichen Geschlechts im patriarchalischen System. Ist die Frau das schwache Geschlecht?
Anzumerken ist, dass im folgenden Essay lediglich der Vergleich zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlecht gezogen wird. Der Grund hierfür ist nicht, andere Geschlechter aus der Debatte auszuschließen, sondern lediglich, dass das Ausmaß dieses Essays nicht reicht, dieses Thema in ausreichender Würdigkeit zu adressieren.
Auf ersten Blick steht die deutsche Politik in Sachen Geschlechtergerechtigkeit gar nicht schlecht da: Angela Merkel regiert Deutschland schon lange genug, sodass junge Erwachsene als Kanzlerin nur sie kennen. Auf europäischer Ebene ist Ursula von der Leyen prominent und die Kanzlerkandidatin der in Umfragen führenden Partei (Stand Mai 2021) ist eine junge Frau. Doch der Blick auf diese bekannten Frauen vermittelt einen falschen Eindruck. Statistiken offenbaren eine erschreckende Erkenntnis: Die Politik ist zu männerdominiert. Der noch höchste Frauenanteil in subsidiären Ebenen findet sich im Europaparlament mit einer Quote von 40% (1). Der Bundestag setzt sich hingegen nur aus 30% Frauen zusammen. Verglichen mit der Kommunalebene, herrschen in diesem jedoch immer noch utopische Zustände. Hier sind es gerade einmal 9% aller Bürgermeister:innen, die weiblich sind. In deutschen Großstädten gibt es mehr Bürgermeister, die den Namen Thomas tragen als Bürgermeisterinnen. (2) Auch der internationale Vergleich malt ein ähnliches Bild: In einer Studie der United Nations Entity for Gender Equality and the Empowerment of Women haben 168 von 192 Ländern weniger als 40% Frauen in nationalen Parlamenten. Im Durchschnitt besetzen Frauen gerade mal ein Viertel der Sitze.
Dass Frauen in der Politik unterrepräsentiert sind, ist also ein unbestreitbarer Fakt. Dies ist nicht nur eine Schwäche unserer Demokratie, sondern macht auch Frauen politisch schwach.
Weitreichende Unterrepräsentation von Frauen lässt sich auch im Bereich Karriere finden: In Deutschland ist nur knapp jede dritte Führungsrolle weiblich besetzt. (3) Oft wird dies damit gerechtfertigt, dass Frauen durch die Schwangerschaft und die Kindererziehung limitiert wird. Dieser Faktor ist jedoch nur ein Symptom von nicht zureichend familienkompatiblen Karrierechancen. Während er zwar nicht außer Acht zu lassen ist, ist es falsch, diesen als alleinige Begründung zu sehen. Ein anderer Faktor beispielsweise ist, dass Führungskräfte bei der Wahl eines Nachfolgers meist Kandidaten wählen, welche ihnen ähnlich sind. Konkret bedeutet das, das Männer weiter Männer für Führungspositionen wählen. Des Weiteren lässt sich auch bemerken, dass Führung oft männlich konnotiert ist. Die letzteren Gründe lassen sich auch auf die zuvor erwähnte Problematik der Politik übertragen.
Die schwache Position der Frau wird in Wirtschaft und Politik sichtbar. Doch erklärt werden kann die Ungleichbehandlung allein mit Blick auf Wirtschaft und Politik nicht. Das patriarchalische System, in welchem wir uns schon seit ungefähr 2500 Jahren befinden, besteht nämlich nicht nur auf diesen Ebenen. Es ist weitumfassend in der Normalität der Gesellschaft verankert.
Bereits im Kindergartenalter bildet sich bei Kleinkindern eine Geschlechtsidentität. Das heißt ihnen wird bewusst, welches Geschlecht sie innehalten. Schon Simone de Beauvoir schreibt in ihrem Werk „Das andere Geschlecht“: „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“ - Das Verständnis für das eigene Geschlecht ist sozial konstruiert, also abhängig davon, welche Rollenbilder das eigene soziale Umfeld vermittelt. Problematisch sind stark limitierte und polarisierte Geschlechterrollen deshalb vor Allem, da schon jung das Verständnis für das eigene Geschlecht ausschlaggebend für die Entwicklung von Stärken und Schwächen ist.
In Deutschland ist es in vielen Familien normal, dass die Frau beruflich für das Kind zurücksteckt: Laut dem Statistischen Bundesamt war im Jahr 2019 der Anteil aller Mütter in Familien mit Kindern unter 6 Jahren, die Elternzeit in Anspruch nehmen, bei fast einem Viertel – der Anteil der Väter nur 1,6 Prozent. (4) Zwar belegen Studien einen Wandel in Familienmodellen – weg vom Mann als Alleinversoger, hin zu egalitäreren Einkommensverteilungen, jedoch ist private Arbeit im Haushalt noch immer meist weiblich besetzt. (5)
Doch nicht nur Rollenverteilung, sondern auch wie das soziale Umfeld Handlungen und Emotionen bewertet, formt Rollenverständnis und ist außerdem zentral für das Selbstbewusstsein und Selbstbild des Kindes. Je nachdem wie das soziale Umfeld reagiert, wird auch entschieden, welche Fähigkeiten und Charaktereigenschaften Kinder erlernen. Gefühle und Handlungen von Mädchen und Jungen werden jedoch oft unterschiedlich bewertet: Wenn ein Junge wütend ist, so gilt dies oft als natürlich und auch im erwachsenen Leben gilt Wut als Ausdrucksform männlicher Autorität. Weibliche Wut wird jedoch anders bewertet: Wütende Mädchen gelten als hysterisch oder zickig. Mädchen wird so vermittelt, dass ihre Wut unangebracht und unerwünscht ist und nicht zu der lieben und ruhigen Umschreibung passt, welche Frauen klassischerweise anhängt. Die Schriftstellerin Leslie Jamison beschreibt in dem Essay-Band „Burn It Down – Women Writing about Anger“, wie Mädchen oft unmerklich ihre Wut unterdrücken und sie zu anderen Gefühlen wie Traurigkeit umwandeln. Weibliche Traurigkeit wird so oft als Symptom weiblicher Schwäche wahrgenommen. (6)
Umgekehrt wird Traurigkeit bei Jungs oft nicht akzeptiert, da diese nicht ins Bild des starken, unverletzlichen Mannes passt. Doch die Unterdrückung dieses vermeintlichen Zeichens der Schwäche, hat keinen Stärkezuwachs zur Folge: Im Gegenteil, eine reduzierte emotionale Mitteilungsfähigkeit sowie ein erhöhter soziale Druck wirken sich negativ auf die mentale Gesundheit aus und führen unter anderem zu Depressionen, Burnouts oder Süchten. Dies drück sich auch darin aus, dass Männer dreimal so oft Suizid begehen wie Frauen (7).
Ist der Mann das schwache Geschlecht? Schwäche ist schwierig zu greifen. Zwar kann sie mit Blick auf Wirtschaft, Politik und Erziehung punktuell definiert und aufgezeigt werden, eine allumfassende Antwort auf die Frage zu finden, ist allerdings nicht möglich. Viel wichtiger ist es darüber zu diskutieren, Lösungsansätze zu finden und sich durch den Dialog weiterzubilden.
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Das schwache Geschlecht
„Schwachheit, dein Name ist Weib“ beschreibt Shakespeare die Rolle der Frau in Hamlet. Über 400 Jahre später sollte die Phrase „Das schwache Geschlecht“ nicht mehr die Frau betiteln. Genauere Betrachtung zeigt jedoch die immer noch fortwährende Schwachstellung des weiblichen Geschlechts im patriarchalischen System. Ist die Frau das schwache Geschlecht?
Anzumerken ist, dass im folgenden Essay lediglich der Vergleich zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlecht gezogen wird. Der Grund hierfür ist nicht, andere Geschlechter aus der Debatte auszuschließen, sondern lediglich, dass das Ausmaß dieses Essays nicht reicht, dieses Thema in ausreichender Würdigkeit zu adressieren.
Auf ersten Blick steht die deutsche Politik in Sachen Geschlechtergerechtigkeit gar nicht schlecht da: Angela Merkel regiert Deutschland schon lange genug, sodass junge Erwachsene als Kanzlerin nur sie kennen. Auf europäischer Ebene ist Ursula von der Leyen prominent und die Kanzlerkandidatin der in Umfragen führenden Partei (Stand Mai 2021) ist eine junge Frau. Doch der Blick auf diese bekannten Frauen vermittelt einen falschen Eindruck. Statistiken offenbaren eine erschreckende Erkenntnis: Die Politik ist zu männerdominiert. Der noch höchste Frauenanteil in subsidiären Ebenen findet sich im Europaparlament mit einer Quote von 40% (1). Der Bundestag setzt sich hingegen nur aus 30% Frauen zusammen. Verglichen mit der Kommunalebene, herrschen in diesem jedoch immer noch utopische Zustände. Hier sind es gerade einmal 9% aller Bürgermeister:innen, die weiblich sind. In deutschen Großstädten gibt es mehr Bürgermeister, die den Namen Thomas tragen als Bürgermeisterinnen. (2) Auch der internationale Vergleich malt ein ähnliches Bild: In einer Studie der United Nations Entity for Gender Equality and the Empowerment of Women haben 168 von 192 Ländern weniger als 40% Frauen in nationalen Parlamenten. Im Durchschnitt besetzen Frauen gerade mal ein Viertel der Sitze.
Dass Frauen in der Politik unterrepräsentiert sind, ist also ein unbestreitbarer Fakt. Dies ist nicht nur eine Schwäche unserer Demokratie, sondern macht auch Frauen politisch schwach.
Weitreichende Unterrepräsentation von Frauen lässt sich auch im Bereich Karriere finden: In Deutschland ist nur knapp jede dritte Führungsrolle weiblich besetzt. (3) Oft wird dies damit gerechtfertigt, dass Frauen durch die Schwangerschaft und die Kindererziehung limitiert wird. Dieser Faktor ist jedoch nur ein Symptom von nicht zureichend familienkompatiblen Karrierechancen. Während er zwar nicht außer Acht zu lassen ist, ist es falsch, diesen als alleinige Begründung zu sehen. Ein anderer Faktor beispielsweise ist, dass Führungskräfte bei der Wahl eines Nachfolgers meist Kandidaten wählen, welche ihnen ähnlich sind. Konkret bedeutet das, das Männer weiter Männer für Führungspositionen wählen. Des Weiteren lässt sich auch bemerken, dass Führung oft männlich konnotiert ist. Die letzteren Gründe lassen sich auch auf die zuvor erwähnte Problematik der Politik übertragen.
Die schwache Position der Frau wird in Wirtschaft und Politik sichtbar. Doch erklärt werden kann die Ungleichbehandlung allein mit Blick auf Wirtschaft und Politik nicht. Das patriarchalische System, in welchem wir uns schon seit ungefähr 2500 Jahren befinden, besteht nämlich nicht nur auf diesen Ebenen. Es ist weitumfassend in der Normalität der Gesellschaft verankert.
Bereits im Kindergartenalter bildet sich bei Kleinkindern eine Geschlechtsidentität. Das heißt ihnen wird bewusst, welches Geschlecht sie innehalten. Schon Simone de Beauvoir schreibt in ihrem Werk „Das andere Geschlecht“: „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“ - Das Verständnis für das eigene Geschlecht ist sozial konstruiert, also abhängig davon, welche Rollenbilder das eigene soziale Umfeld vermittelt. Problematisch sind stark limitierte und polarisierte Geschlechterrollen deshalb vor Allem, da schon jung das Verständnis für das eigene Geschlecht ausschlaggebend für die Entwicklung von Stärken und Schwächen ist.
In Deutschland ist es in vielen Familien normal, dass die Frau beruflich für das Kind zurücksteckt: Laut dem Statistischen Bundesamt war im Jahr 2019 der Anteil aller Mütter in Familien mit Kindern unter 6 Jahren, die Elternzeit in Anspruch nehmen, bei fast einem Viertel – der Anteil der Väter nur 1,6 Prozent. (4) Zwar belegen Studien einen Wandel in Familienmodellen – weg vom Mann als Alleinversoger, hin zu egalitäreren Einkommensverteilungen, jedoch ist private Arbeit im Haushalt noch immer meist weiblich besetzt. (5)
Doch nicht nur Rollenverteilung, sondern auch wie das soziale Umfeld Handlungen und Emotionen bewertet, formt Rollenverständnis und ist außerdem zentral für das Selbstbewusstsein und Selbstbild des Kindes. Je nachdem wie das soziale Umfeld reagiert, wird auch entschieden, welche Fähigkeiten und Charaktereigenschaften Kinder erlernen. Gefühle und Handlungen von Mädchen und Jungen werden jedoch oft unterschiedlich bewertet: Wenn ein Junge wütend ist, so gilt dies oft als natürlich und auch im erwachsenen Leben gilt Wut als Ausdrucksform männlicher Autorität. Weibliche Wut wird jedoch anders bewertet: Wütende Mädchen gelten als hysterisch oder zickig. Mädchen wird so vermittelt, dass ihre Wut unangebracht und unerwünscht ist und nicht zu der lieben und ruhigen Umschreibung passt, welche Frauen klassischerweise anhängt. Die Schriftstellerin Leslie Jamison beschreibt in dem Essay-Band „Burn It Down – Women Writing about Anger“, wie Mädchen oft unmerklich ihre Wut unterdrücken und sie zu anderen Gefühlen wie Traurigkeit umwandeln. Weibliche Traurigkeit wird so oft als Symptom weiblicher Schwäche wahrgenommen. (6)
Umgekehrt wird Traurigkeit bei Jungs oft nicht akzeptiert, da diese nicht ins Bild des starken, unverletzlichen Mannes passt. Doch die Unterdrückung dieses vermeintlichen Zeichens der Schwäche, hat keinen Stärkezuwachs zur Folge: Im Gegenteil, eine reduzierte emotionale Mitteilungsfähigkeit sowie ein erhöhter soziale Druck wirken sich negativ auf die mentale Gesundheit aus und führen unter anderem zu Depressionen, Burnouts oder Süchten. Dies drück sich auch darin aus, dass Männer dreimal so oft Suizid begehen wie Frauen (7).
Ist der Mann das schwache Geschlecht? Schwäche ist schwierig zu greifen. Zwar kann sie mit Blick auf Wirtschaft, Politik und Erziehung punktuell definiert und aufgezeigt werden, eine allumfassende Antwort auf die Frage zu finden, ist allerdings nicht möglich. Viel wichtiger ist es darüber zu diskutieren, Lösungsansätze zu finden und sich durch den Dialog weiterzubilden.
Quellen:
[2] Katapult, N°18, 2020
[4] https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Qualitaet-Arbeit/Dimension-3/elternzeit.html
[5] https://www.boeckler.de/pdf/p_arbp_048.pdf
[6] https://sz-magazin.sueddeutsche.de/freie-radikale-die-ideenkolumne/wut-feminismus-88440
[7] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1279/umfrage/anzahl-der-selbstmorde-in-deutschland/
[8] Statistisches Bundesamt: Rechtspflege Strafvollzug- Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen zum Stichtag 31.3